Licht
Auch wenn man sich dessen meistens garnicht bewusst ist:
Ein Lichtstrahl macht vor wie es geht.
Er wählt ganz von selbst den schnellsten Weg,
obwohl er gar nicht rechnen kann ;-)
Der Einfachheit halber werden zunächst nur zwei Gebiete
G1 und G2 betrachtet,
in denen sich das Licht mit den Geschwindigkeiten
v1 bzw. v2 ausbreitet.
Der Lichtstrahl, der vom Punkt A startend
durch den Punkt B geht,
verläuft genau entlang der schnellsten Verbindung.
Das Problem etwas anschaulicher formuliert:
Ein Auto fährt im Gebiet G1
mit konstanter Geschwindigkeit v1,
im Gebiet G2 mit konstanter Geschwindigkeit v2.
Wie muss eine Straße verlaufen,
damit das Auto am schnellsten von A nach B kommt?
Innerhalb eines Gebietes mit konstanter Geschwindigkeit
ist natürlich die gerade Verbindung auch die schnellste.
Aber im Gebiet mit der höheren Geschwindigkeit
darf der Weg etwas länger sein,
wenn dadurch im Gebiet mit der niedrigen Geschwindigkeit
der Weg verkürzt wird.
Im Bild oben erkennt man,
dass in diesem Fall die Gesamtstrecke d1 + d2
größer ist als die Entfernung d (Dreiecksungleichung).
Es könnte also sein,
dass der schnellste Weg an der Grenzlinie zwischen den beiden Gebieten abknickt.
Und so ist es auch.
Die Frage ist nur:
An welcher Stelle genau muss der Knick sein?
Weil ich gerade keine plausible Erklärung parat habe,
folgt jetzt etwas Rechnerei.
Falls dir mathematische Herleitungen nicht so viel Spaß machen,
kannst du gleich direkt einen Blick auf das einfache
Ergebnis Gl. (10)
werfen.
Zunächst werden die vorkommenden Größen definiert.
y1 ist der Abstand des Punktes A
von der Grenzlinie zwischen den Gebieten,
entsprechend y2 der Abstand des Punktes B.
Die Entfernung der beiden Lotfußpunkte xg
wird in die beiden Teilstrecken x1 und x2 zerlegt.
(1) xg = x1 + x2
Nach dem Satz von Pythagoras gilt
(2a) d1 =
√[x12 + y12]
(2b) d2 =
√[x22 + y22]
Mit Gl. (1) ergibt sich aus Gl. (2b)
(3) d2 =
√[(xg − x1)2 +
y22]
Aus den Weglängen d1, d2
und den zugehörigen Geschwindigkeiten v1, v2
ergeben sich die benötigten Zeiten t1, t2 zu
(4a) t1 = d1 / v1 ,
(4b) t2 = d2 / v2 .
Für die Gesamtzeit tg gilt
(5) tg = t1 + t2 .
Einsetzen der Gln. (2a, 3) in die Gln. (4a, 4b)
und dieser in die Gl. (5) liefert
(6) tg(x1) =
(1/v1)
√[x12 + y12] +
(1/v2)
√[(xg − x1)2 +
y22]
In dieser Gleichung sind alle Größen außer x1 bekannt.
Es ist derjenige Wert von x1 gesucht,
für den die Gesamtzeit tg minimal wird.
Eine notwendige Bedingung für ein lokales Extremum ist,
dass die erste Ableitung von tg nach x1 verschwindet.
(7) dtg/dx1 =
(1/v1)
(1/2) 1/√[x12 + y12]
2x1 +
(1/v2)
(1/2)
1/√[(xg − x1)2 +
y22]
2(xg − x1) (-1)
= 0 .
Diese Gleichung nach x1 aufzulösen,
ist ziemlich aufwendig.
Aber zum Glück ist das für das entscheidende Ergebnis gar nicht nötig.
Nach Einsetzen der Gln. (2a, 3) und
unter Berücksichtigung der Gl. (1) folgt
(8) (1/v1) x1 / d1 =
(1/v2) x2 / d2 .
Aus dem Bild oben sieht man direkt
(9a) cos α1 = x1 / d1 ,
(9b) cos α2 = x2 / d2 .
Damit ergibt sich das schöne, einfache Ergebnis
(10) (cos α1) / v1 =
(cos α2) / v2 .
Der Knick der Verbindungslinie erfolgt also derart,
dass der Quotient aus dem Cosinus des Steigungswinkels und
der Ausbreitungsgeschwindigkeit konstant bleibt.
Eine schöne Rechenübung für die Oberstufe des Gymnasiums
ist die Bildung der zweiten Ableitung
d2tg/dx12
ausgehend von Gl. (7).
Die einzelnen Rechenschritte will ich hier nicht vorführen.
Am Schluss kommt raus:
(11) d2tg/dx12 =
(1/v1)
(d12 - x12) /
d13 +
(1/v2)
(d22 - x22) /
d23 .
Alle auf der rechten Seite der Gleichung vorkommenden Größen sind positiv.
Weiterhin ist
(12a) d1 > x1 ,
(12b) d2 > x2 .
Daher ist die zweite Ableitung immer positiv:
(13) d2tg/dx12 > 0 .
Die Extremstelle von tg ist folglich ein Minimum,
wie gewünscht.
Noch ein kleiner Einschub,
um die Verwirrung komplett zu machen.
In der Optik werden normalerweise nicht die Steigungswinkel verwendet,
sondern der Einfallswinkel β1
und der Ausfallswinkel β2,
gemessen zum Lot im Knickpunkt.
Dem obigen Bild ist direkt zu entnehmen, dass
(14a) sin β1 = x1 / d1 ,
(14b) sin β2 = x2 / d2 .
Mit Gl. (8) folgt daraus das Brechungsgesetz
(15) (sin β1) / v1 =
(sin β2) / v2 .
Üblicherweise wird diese Gleichung noch nach
sin β1 / sin β2 aufgelöst.
Und statt den Geschwindigkeiten v1 und v2
werden die Brechzahlen n1 und n2 verwendet.
Aber das ist jetzt wirklich eine Angelegenheit der Optik
und führt zu weit weg von Kugelbahnen.
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